Aus dem Buch: 

 

Er ist unser Leben.

Von Martin Haug

 

Verlag von J. F. Steinkopf, Stuttgart   1952

Neue Anschrift:

Ev. Presseverband Nord

J. F. Steinkopfverlag

Fleethörn 32

24103 Kiel

*

Die Bibel   

 

1. Das Buch

 

197. Luther: Das Wort Gottes ist das Heiligtum über alle Heiligtümer... Welche Stunde man nun Gottes Wort handelt, predigt, leset oder bedenket, so wird dadurch Person Tag und Werk geheiligt... Derhalben sage ich allezeit dass all unser Leben und Werk im Worte Gottes gehen müssen, sollen sie Gott gefällig oder heilig heißen.                                                    

                                                                                                                                              Aus: "Großer  Katechismus".

 198. Ein vielseitiges Buch. Ein Freund und Erzieher der Jugend gibt Anweisung für ein halbes Jahr folgende passende Bücher zu lesen: 1. eine sehr schöne Lebensbeschreibung aus erster Hand; 2. ein weltberühmtes Gedicht; 3. eine Reisebeschreibung von einem Arzte; 4. einen Epochemachenden Beitrag zur Lösung der sozialen Frage aus alter Zeit; 5. ein großartiges Drama; 6. etwas praktische, leichtzugängliche, ge­meinverständliche Philosophie. Diese Bücher bekommt man alle in einem Bande ge­bunden und noch zusammen mit recht vielen anderen Schriften. Ihre Titel sind 1. das Evangelium von Jesus Christus, geschrieben von Matthäus; 2. der 51. Psalm von David; 3. die Apostelgeschichte von Lukas, dem Arzt; 4. der Brief des Paulus an Philemon; 5. das Buch Hiob 6.die Sprüche Salomons (oder das Buch Jesus Sirach).                                                                                                                                                L. Maier in „Bekenntnis der Bibel".

 199. Ein wertvolles Buch. Wie durch  ein Wunder hatte der Gelehrte Konstantin Tischendorf im Katharinenkloster am Sinai 1859 auf seiner dritten Orientreise den Rest einer wertvollen Handschrift des Alten und des ganzen Neuen Testaments nach langem vergeblichen Suchen am Vorabend seiner Abreise gefunden; 15 Jahre zuvor hatte er die ersten 43 Blätter des A. T. dort aus dem Papierkorb der Klosterbibliothek gezogen. Zweimal war sein Inhalt schon ins Feuer geworfen worden. Ist es nicht eine Führung Gottes, dass Tischendorf diese Blätter vor der Vernichtung retten durfte? 1853 reiste er zum zweiten Mal nach dem Sinaikloster, um andere Teile der Handschrift wenigstens abschreiben zu dürfen. Aber niemand wusste mehr etwas von dem wertvollen Schatz. Unverrichteterdinge musste er heimkehren. Unbeschreiblich war seine Freude, dass er nun 1859 noch viel mehr fand als er zu hoffen gewagt hatte. "Ich war aufs tiefste ergriffen ... über einer Fügung, die in Wahrheit über Bitten und Verstehen ging." Diese Handschrift, genannt Codex Sinaiticus, kam nach Petersburg als Geschenk des Klosters an den Kaiser von Russland und wurde 1933 um 2 Millionen Schilling von den Sowjets an das britische Museum in London ver­kauft. Trotz großer Reklame erzielte eine Gesamtausgabe Voltaires, die dem Gra­fen Dudly gehörte, in England nur 8 Schillinge, für den Band etwa 8 Pfennige weniger als das Papier wert war. Voltaire hatte einst geschrieben, dass die Bibel in hundert Jahren ein vergessenes Buch sein werde.

 200. Das verbreiteste Buch in der Welt. Die Bibel oder Teile daraus sind heute in 1408 Sprachen zugänglich. Augenblicklich sind Arbeiten im Gange, sie in weitere 43 Sprachen zu übersetzen. Insgesamt werden ungefähr 5000 verschiedene Sprachen auf der Erde gesprochen. Etwa 3000 Sprachen bedürfen kaum einer Bibelübersetzung. Teils sind die Völker, die sie sprechen, schon stark zusammengeschmolzen und gehen Dem Untergang entgegen, teils sind Völker mit nahe verwandter Sprache da, in denen Bibelübersetzungen bereits vorhanden sind.

Der Bibelverkauf in der ganzen Welt betrug im Geschäftsjahr 1948/49: 1700 000 Bibeln, 2 130 000 neue Testamente und 13 670 000 Bibelteile, zusammen sind das 17 500 000 Stück.

 

201. Ein unheimliches Buch. "Sie enthält meine Lebensgeschichte." Jedem, der lange mit der Bibel umgeht, dem geht es wie jenem Heiden, der die Geschichte vom ver­lorenen Sohn hörte, und sagte: "Der Mann muss mich gekannt haben. Das ist ja Wort für Wort mein Leben. Dieser zerlumpte Mensch, der das Heimweh nicht loswird, das bin ich, das ist meine Geschichte."

 202. Der dänische Philosoph Kierkegaard wirft einmal die Frage auf: „Wagst du schon mit der Bibel allein zu sein?" Er selber fügt hinzu: "Ich wage es immer noch nicht recht."

 203. Wenn sie wahr wäre! Ein ungläubiger Mann sagte einst: "Es gibt ein Ding, das alles Vergnügen meines Lebens verdirbt." - „Und das wäre?" fragte sein Freund. Da antwortete jener: "Ich fürchte, die Bibel sei wahr."

 204. Im Angesicht der Ewigkeit. Von einem Kriegsteilnehmer hörte ich folgendes Erlebnis: "Ein Lazarett in Berlin - darin ein Saal mit lauter Schwerkranken. Nachts ruft die Schwester den wachhabender Arzt zu einem Verwundeten in diesem Saal, den sie dem Tode nahe wähnt. Als beide eintreten, steht er totenbleich, hoch aufgerich­tet mitten im Saal, seine Bibel in der ausgestreckten Hand und ruft mit letzter Kraft über die Betten der Kameraden hin: 'Und es ist doch alles wahr, was darin steht!' Dann legt er sich, schließt die Augen und stirbt.                                                              H.

 205. Eine große Entdeckung. Heinz war Schlossergeselle. Vor einigen Jahren hatte ich ihn konfirmiert. Aber dann war er, wie so viele, dem Gottesdienst und den Versammlungen fern geblieben. Nach mehreren Jahren erschien er eines Tages in der Kirche, und dann kam er häufiger. Er suchte. Er war nicht befriedigt von dem, was die anderen Kameraden ihm als Leben anboten. Er spürte irgendwie, daß all der Hohn und Spott, der auf das Evangelium ausgegossen wurde, das Evangelium gar nicht traf. Am Ende eines Gespräches schenkte ich ihm ein Neues Testament. Und nun setzte sich Heinz hin, lange Wochen und studierte; wie er wohl einst als Kind in der Fibel gelesen hat, so las er jetzt im Worte Gottes. Und dann kam der Tag, den ich nicht vergessen kann. Er war inzwischen Geselle geworden, und nun stand dieser kräftige, junge Mensch vor mir am Schreibtisch, schlug in großer Erregung mit dem Neuen Testament auf den Schreibtisch, und rief laut: "Das lebt ja alles!"                                                                  

                                                                                                                   Mitgeteilt durch Pfarrer Joachim Braun, Tübingen.

 

206. Wie einer mit der Bibel bekannt wurde. Prof. H. Menge, dessen Bibelübersetzung schon in über 200 000 Stück gedruckt wurde, erzählt von sich: "Bis zu meinem sechzigsten Lebensjahre hatte ich kein einziges Kapitel des Neuen Testaments im griechischen Grundtext gelesen und auch in der Lutherbibel vom Evangelium des Johannes kaum etwas anderes kennen gelernt als Jesu Gespräch mit Nikodemus; der Inhalt des Römerbriefs oder der Epistel an die Galater war mir völlig unbekannt... Es war an einem Abend im Herbst des Jahres 1899, als  ich, von tiefer Ruhe rings umgeben, in meinem Amtszimmer oben im Gymnasium mit der Ausarbeitung von Morgenandachten für die Schule beschäftigt war: da trat mir die Erkenntnis von meiner Unbekanntschaft mit der Bibel mit solcher Stärke vor die Seele, daß ich mich tief und aufrichtig zu schämen begann und den festen Entschluß faßte, mich dem Studium der Bibel, und zwar zunächst des Neuen Testaments, mit aller Kraft zu widmen... Zum ersten Mal in meinem Leben fing ich an, im Neuen Testament zu lesen..."

Nachdem er Ostern 1900 sein Schulamt niedergelegt hatte, wandte er sich bald ausschließlich der Beschäftigung mit der Bibel zu, die ihn immer mehr ausfüllte. Er bekennt: "Es erfaßte mich eine solche Freudigkeit, daß ich, der Außenwelt immer mehr absterbend, jede andere Beschäftigung aufgab und mich nur noch der Übertragung der übrigen Bücher sowie der wiederholten  übersetzten Teile widmete."                                              

                                                                                                                                        Aus: Württ. Bibelblatt 1927, Nr. 53.

 

207. Das Buch der Offenbarung Gottes. Der Dichter Hans Christoph Kärgel: Wenn man sich das nur einen Augenblick überlegt, daß Tausende von Jahren nicht vermocht haben, den himmlischen Glanz eines biblischen Wortes zu nehmen, das  durch viele Sprachen ging, bis es für uns in der deutschen Sprache Auferstehung fand, muß uns da nicht das Wort "Offenbarung" Tatsache geworden sein, ohne daß wir dabei an eine Verdunkelung zu denken brauchen? Oder ist etwas von der Wucht der zehn Ge­bote aus dem Alten Testament jemals abzuschwächen, gelten sie nicht für die Menschen schlechthin? Wahrlich, man braucht sich nur einen Augenblick an die Bibel zu setzen, um den Atem Gottes zu spüren, der über tausend Jahre dahingeht wie erst einen Tag, der auch vieler Völker Sprache spricht und bei aller Vielheit doch die Einheit sieht. Wäre es nicht so,würden uns Deutschen die Lobgesänge Gottes aus dem Psalter ewig fremd bleiben. So aber sind sie uns, die erstmals von einem uns fremden Volke gesungen wurden, zu den erschütterndsten Liedern unserer Seele geworden. Denn nicht der Mensch singt daraus, sondern Gott. Und das ist das Heilige.

                                                                                         Aus: Evang. Deutschland", 13. 1.1935.

 208. Inspiration. Der Dichter Hans Christoph Kaergel bekennt: „Ich begann im Jahre 1916 mein erstes Buch zu schreiben und nannte es 'Des Heilands zweites Gesicht' Ich schrieb - und wenn ich es hernach las, war ich es nicht, der das alles ge­schrieben hatte. Es wurde mir ja selber alles zum Erleben. Ich schrieb oft gegen meinen Willen. Mit einem Male wusste ich, was mit den unerklärlichen Worten der Inspiration gemeint war. Ich war ja selber zum Griffel einer höheren Macht gewor­den. Warum sollte es nicht in viel, viel größerem, stärkerem, überwältigenderem Maße möglich gewesen sein bei all den Männern, die in der Heiligen Schrift geschrieben haben? Und eine neue, größere Erkenntnis stieg in mit auf."

                                                                                             Aus: "Evang. Deutschland", 13.1.1935.

 

2. Berühmte Männer über die Bibel

 

209. Der zweiundsiebzigjährige Philosoph der Vernunft, Immanuel Kant, schreibt an den Abt Sieyes in Paris 1796: „Die Bibel ist das Buch, dessen Inhalt selbst von seinem göttlichen Ursprung zeugt. Sie entdeckt uns die Größe unserer Verschuldung und die Tiefe unseres Falles. Die Bibel ist mein edelster Schatz ohne welchen ich elend wäre." In einem Brief an Stilling schreibt er: „Darin tun Sie wohl, dass Sie Ihre einzige Beruhigung im Evangelium suchen, denn es ist die unversiegbare Quelle aller Wahrheiten, die, wenn die Vernunft ihr ganzes Feld ausgemessen hat, nirgends anders zu finden ist." "Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir Ps.23,4 gab: Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir."                                                                      Vaun.

 

210. Goethe: Ich für meine Person halte die Bibel lieb und wert; denn fast ihr allein war ich meine sittliche Bildung schuldig. Die Begebenheiten, die Lehren, die Symbole, die Gleichnisse: alles hat sich bei mir tief eingedrückt und war auf die eine oder andere Art wirksam gewesen...

                                                                                                             Dichtung und Wahrheit VII.

 

"Eigentlich lernen wir nur von Büchern, die wir nicht beurteilen können. Der Verfasser eines Buches, das wir beurteilen könnten, müsste von uns lernen. Deshalb ist die Bibel ein ewig wirksames Buch, weil, solange die Welt steht, niemand auftreten und sagen wird: ich begreife es im Ganzen und verstehe es im Einzelnen. Wir aber sagen bescheiden, im Ganzen ist es ehrwürdig und im Einzelnen anwendbar."

                                                                                                         Aus: Sprüche in Prosa 1826.

211. Der verstorbene Dichter Ernst Wiechert hat während des Krieges in einer kleinen Schrift "Vom Trost der Welt" sich einmal die Frage zu beantworten ge­sucht, welche Bücher er mitnehmen würde, wenn er eine ganz kleine Auswahl zu treffen und wie der Mann im Märchen nur drei Wünsche „frei“ hätte. Er hat uns erzählt, wie er sich diese Frage nach allen Seiten überlegt hätte und dann zu dem Entschluss gekommen wäre, an erster Stelle auf alle Fälle die Bibel mitzunehmen, überhaupt „allen jungen Menschen, die um Rat und Hilfe zu mir kommen würden, nur eines im Geistigen zu raten: dass sie ihr Leben lang bemüht sein möchten, die größten und wichtigsten Teile der Bibel... sich auswendig einzuprägen, da es ja leicht sein könnte, dass in den Zeiten mancher Not auch dieser Besitz ihnen geraubt würde." An einer andern Stelle hat dieser gleiche Dichter bekannt: "So einfach und ärmlich mein Elternhaus im Irdischen und wohl auch im Geistigen war, so konnte es mir doch auf meine Reise mitgeben, was auch der Ärmste seinen Kindern mitgeben kann: das ganze Wort Gottes..." .. ."

 212. Der Sozialreformer. Aus einem Gespräch mit Kagawa, dem Begründer der christlichen Arbeiterbewegung in Japan: Wir sprechen über die Arbeit in den Elendsvierteln. Einer fragt Kagawa, wie er das alles bewältige, was auf Ihn einstürzt, da er doch soviel Not zu tragen hat, und dabei körperliches Leiden ihn behindert. Das Buch hebt er auf, seine alte, zerlesene Bibel "Meine Kraft", sagt er, "meine Kraft, die mich Leid und Not tragen lehrt, eigene Not und fremde, das Leid Japans und das der Welt."                                                        

                                                                                                                                                     Nach: Gedat in "Junger Tag".

 213. Der Philosoph Ernst Jünger schreibt in den "Strahlungen", dem Tagebuchwerk aus dem zweiten Weltkrieg mitten zwischen geistreichen Bemerkungen über Zeit und Welt, Bücher und Künstler, daß er regelmäßig die Bibel von Anfang bis zu Ende liest. Zwei Worte zeigen, was ihm dabei aufgegangen ist. Am Pfingstmontag 1944 schreibt er: "Bei knappem Gepäck ist die Dünndruckausgabe der Bibel das geeignetste Buch, das sich mitführen lässt, und für das alle anderen, die man als Tornisterlektüre bezeichnet, in keiner Weise Ersatz bieten. Es gleicht einer unerschöpflichen Büchse voll Tee, aus der man jeden Abend eine Stärkung zubereiten, oder einem Weihrauch, von dem man immer ein Körnchen brennen kann.

Auch kann man sich zur letzten Wegzehrung ein Kapitel daraus lassen, und dass ist eine Qualität, die weder ein Stück des Zarathustra noch ein Gedicht von Hölderlin besitzt." In der Einleitung steht: Wie­der bewährte sich die Bibel als das Buch der Bücher, prophetisch auch für unsere Zeit. Doch nicht nur prophetisch, sondern auch tröstend in höchsten Maße und als solches das Handbuch alles Wissens, das wiederum Unzählige durch die Schreckenswelt be­gleitete."

214. Der Asienforscher Sven Hedin berichtet über seine erste Reiseausrüstung: „Zum Schutz gegen die Wärme habe ich einen großen Korkhut zum Schutz gegen die Krankheit eine kleine Apotheke, gegen körperliche Feinde: einen Scharfgeladenen Revolver, gegen geistige Feinde: die Bibel." Ein andermal schreibt er: Ohne die lebendige und gewisse Zuversicht zum Herrn und seiner allmächtigen Bewahrung wäre es un­möglich gewesen, zwölf Jahre lang in den unzugänglichen Gebieten von Asien auszuhalten. Auf meinen sämtlichen Reisen ist die Bibel stets mein Begleiter und meine beste Lektüre gewesen." Einmal nahm er, als infolge Wassermangels die Lasttiere hinstarben und das letzte Gepäck zurückgelassen werden mußte, doch noch die Bibel und das Gesangbuch mit. So unentbehrlich waren ihm diese beiden Bücher

Nach: "Durch Asiens Wüsten". Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig.

 215. Wolfgang Borchert (gest. 1947 an Tuberkulose in einem Basler Hospital). Als der Literaturhistoriker Karl Würzburger ihm, dem als Nihilisten durch sein Stück: "Draußen vor der Tür" bekannt gewordenen Dichter unterhaltende Bücher an sein Krankenlager bringen wollte, wies sie Borchert zurück. Was diese Zurückweisung bedeutete, gab er uns unmissverständlich zu verstehen, indem er vom Tisch neben seinem Bett ein Buch griff: "Ich lese jetzt nur noch das." Es war die Heilige Schrift, die er wohl in der letzten Woche vor seinem Tode bei dem ersten Vers des ersten Kapitels des ersten Buches Moses zu lesen begonnen hatte. Gott allein weiß, ob dieses Eingeständnis den Durchbruch zum Kreuz Christi bedeutet. Wir aber Sollten wissen, dass ohne einen Ein­bruch dem Kreuz Christi her ein solches Eingeständnis undenkbar ist.

                                                      Aus der Jugendzeitschrift "Jungenwacht"

 

                              3. Vom Bibellesen

 

216. Wie wir die Bibel lesen sollen. So es wohl geredet ist, man sollte Fürstenbriefe dreimal lesen, darum, daß sie müssen bedächtig reden, daß sie  nicht Narren geachtet werden; wieviel mehr soll man Gottes Briefe, das ist, die Heilige Schrift, drei-, viert-, zehn-, hundert-, tausend und aber tausendmal lesen. Denn er bedächtig und wichtig redet; ja, er ist die ewige Weisheit selbst. Wer dies tut, der wird gelehrter und besser aus der Schrift. Wer's nicht tut, der lernet nichts, ja, wird ärger daraus."

                                                                    Aus: Luthers Tischreden.

217. "Dies ist ein Brief, welchen Gott mir hat schreiben lassen, wonach ich mich richten soll und wonach mein Gott mich richten wird." "Höre dem Wort Gottes zu, als ob du es noch nie gehört hättest."

                                  Johann Albrecht Bengel (1687-1752), der Verfasser des Gnomon."

 218. Auf den Knien gelesen. Eine der ersten Frauen, die Medizin studierten, Minna Popken, war von einem tiefen Suchen nach Wahrheit erfüllt. Dabei war ihr die Frage brennend geworden: „Wer ist Jesus?" und: "Ist die Bibel wirklich das Buch der Offenbarung des lebendigen Gottes?" Da begann sie die Bibel zu studieren. Frühmorgens stand sie auf, legte die Bibel auf einen Stuhl, kniete davor nieder und betete ihr Morgengebet. "Ich bat Gott inbrünstig, mir zu zeigen, was ich aus der Bibel zu lesen hätte und dass Er durch dieses heilige Buch zu mit reden wollte. - Während dieser ganzen Zeit las ich die Bibel auf den Knien, und niemals, ohne vor und nach einer Lesung zu beten. Niemand hatte mit gesagt, dass man das so tun müsse, ich tat es instinktiv, wie damals in der Kindheit, als ich in meinem Bett mit dem "lieben Gott" redete. - Jetzt sollte Er mit mir reden! War das nicht noch heiliger, als wenn ich mit Ihm redete? Und musste ich dabei nicht niederknien? - So erlebte ich im Anfang die Bibel, und Gott redete eindringlich und deutlich zu mir in seinem Wort." Vgl. Nr. 107. 821. Aus: M. Popken, „Im Kampf um das Licht", Furche-Verlag.

 219. Lies für dich! Wir saßen beisammen und das Gespräch ging um die Frage, w i e  m a n  s e i n e  B i b e l   l e s e n  s o l l. Andachtsvoll. Unter Gebet. Sorgfältig. Regelmäßig. Am besten in der Frühe des Tages. In Gehorsamswillen. Dankbar. So flog mancher Gedanke hin und her. Bis auf einmal einer hinwarf: „Mit Rotstift." „Mit was?" „Mit einem Rot-, besser mit einem Rotblaustift." "Wie meinst du das?" "Seht her!" er zog seine Taschenbibel hervor, der man den starken Gebrauch wohl ansah. Wir wussten es alle: er war ein treuer Bibelleser. Ganz anders als wir. Man spürte seine Bibel an seinem Wesen und ganzen Leben. „Was ich lese in der Bibel, lese ich für mich. Ganz wörtlich: für mich! Das Wort soll mir gelten. Und was mich trifft, mit der Gewalt innerer Wahrheit, wird rot angestrichen, oder, je nach der Bedeutung für mich, rot umgrenzt, ja - seht hier! - ganz rot übermalt. Was ich nicht verstehe; was mir fraglich scheint - (ich lese kritisch, mit Nachdenken) - streiche ich mit blau an. Sobald ich Gelegenheit habe, bei einem Pfarrer, oder sonst einem alten erfahrenen Christen, ziehe ich meine blauen Stellen heraus und frage. Ich habe mich noch nie geschämt zu fragen. So bekomme ich Antwort.                                                                                     Karl Otto Horch.

220.  Lies am frühen Morgen. Der berühmte Neuenburger Theologe Friedrich Godet hat einst zum Neujahr einem seiner Freunde folgenden Rat gegeben: Wir denken viel zu wenig an den großen uns erwachsenden Segen, wenn wir jeden Morgen vor Beginn unserer Tagesarbeit ein paar Worte unseres Herrn Jesu oder seiner Apostel in uns aufnehmen. Man entschuldigt sich damit, am frühen Morgen eile die Zeit rascher als sonst für einen dahin, die Arbeit dränge. Man macht sich dann ohne innere Ausrüstung an seine Tagesarbeit und denkt gar nicht an die Notwendigkeit, vorher die Wurzeln seiner Kraft in Christus, seinen starken Helfer, versenkt zu haben. Oft schreitet man sogar an die Arbeit in Werken, die aus Glauben gegründet sind, ohne im Besitz der hierfür notwendigen Salbung zu sein! Der Mensch braucht an jedem Morgen sein „geistliches Frühstück", das ihn mit Kraft für die Arbeit und den Kampf des bevorstehenden Alltags versieht. Die Höhenlage unseres inneren Lebens steigt und fällt mit der Treue, die wir im Aufsuchen der stillen morgendlichen Gemeinschaft mit unserem Herrn beobachten.

221. Lies am späten Abend. „Lesen Sie, bevor sie zu Bette gehen, und zwar zwei Stunden vor Mitternacht, im Neuen Testament still und aufmerksam, und dann beten Sie ein Vaterunser und machen die Augen zu, und Sie werden schlafen können. Sehen Sie, hier in den Bergen suchen die Kräutersammler die heilkräftigen Pflanzen in der Mitternacht und graben nach den Wurzeln, weil da der Saft hinabsteigt und somit die Wurzeln am vollsten sind — so muß ein Mensch vor dem Schlafengehen seine Lebenskräfte in der Wurzel seines Daseins sammeln, und die ist nirgends anders als in dem lieben Gott und seinem Worte."

Gustav von Lauers (gest. 1889), Leibarzt des alten Kaisers, an eine jugendliche, an Schlaflosigkeit leidende Patientin.

222.  .Anfechtung lehrt aufs Wort merken. Aus einem russischen Kriegs­gefangenenlager. „Wir Menschen hinter Stacheldraht haben ja alles verloren, was Menschen verlieren können — Hab und Gut, Volk, Staat, Familie usw. — Aber sind wir durch diesen Verlust nicht auch aufnahmebeeiter für alles Unverlierbare geworden? . . . War mir das Licht, das einzige Licht der Welt früher Bedürfnis, so ist es mir hier Ziel und Inhalt meines Lebens geworden. Während der langen Monate habe ich mich hineingekniet in die Heilige Schrift, habe gelesen, gesucht, gerungen und aus ihr Kraft, Trost und die göttliche Liebe schöpfen dürfen. So wurde die trostlose Zeit zu einer Vorbereitungszeit. Sollte ich dafür nicht dankbar sein? Vgl. Nr. 81. Aus: Amtsblatt der Evang. Kirche in Deutschland, Stuttgart, 1. Jahrgang Nr. 1.

223.  Frucht des Bibellesens. Mitsou  Fuchide war der Kommandant der japanischen Luftflotte, die am 7. 12. 1941 mit 36 Kampflugzeugen überraschend die amerikanischen Kriegsflotte in Pearl Harbour angriff und vernichtete. Obwohl er im Verlauf des Krieges sechsmal abstürzte, überlebte er den Krieg und wurde Bauer. In seiner Abgeschiedenheit machte er sich Gedanken, wie Japan einen Weg des Friedens finden könnte. Eines Tages erhielt er auf dem Bahnhof in Tokio ein christliches Heft mit dem Titel: „Ich war Kriegsgefangener in Japan". Darin erzählt ein Amerikaner, wie er in der Gefangenschaft den starken Wunsch verspürt habe, die Bibel zu lesen, weil er gehört habe, das Christentum könne Haß in brüderliche Liebe verwandeln. Nach diesem Geheimnis suchte ach Fuchide und wollte deshalb auch die Bibel kennenlernen. „Noch bevor ich die ersten dreißig Seiten bewältigt hatte, bekam ich starke Eindrücke. Das ist's — war meine Überzeugung. Christus ist gewiß die einzige Persönlichkeit, die der Welt den Frieden geben kann. Der erste Schritt konnte für mich nur der sein, selbst ein wahrer Christ zu werden." Er schloß sich den Christen der Traktatgesellschaft an, die ihm in der Erkenntnis weiterhalfen. Dann heißt es weiter von ihm selbst: ,,Ich öffnete mein Herz und nahm Christus als meinen persönlichen Erlöser auf. Es war am 14. April 1950. Natürlich bin ich noch auf der ersten Stufe des christlichen Wachstums, aber ich empfinde große Freude beim täglichen Bibellesen. Gott hat mir den Weg des Heils durch Jesu Mut offenbart. Nun stehe ich hier als sein Zeuge, um mit Gottes Hilfe diese Wahrheit an andere weiterzugeben."

                                                                   

4. Bibelkritik

 

224.  Kierkegaard: „Die Bibel Ist nicht dazu da, daß wir sie kritisieren, dazu, daß sie uns kritisiert."

                                          Lessing:     

Gar mancher lacht der Kinderfibel

Und schrieb doch ohne sie kein Wort.

So lacht gar mancher wohl der Bibel

Und zehrt von ihr fort und fort.

 225.  Der Dichter Hans Christoph Kaergel schrieb im „Ev. Deutschland" vom 13.1. 1935:Mir kommt es jetzt wieder so vor, als müßten noch einmal so viele dasselbe erleiden, was ich in den Jahren der Bibelkritik zu durchkämpfen hatte. Sie bringen sich zunächst um das Heilige und suchen doch nach dem Heiligen. Sie gehen immer von menschlichen Erwägungen aus an die unheimliche Schrift. Sie entdecken darin alte jüdische Vorschriften, die uns heute abstoßen, die uns widersinnig erscheinen, und lehnen darum das Buch als Ganzes ab. Die anderen entdecken in der Sprach­behandlung eine Dichtung und möchten die Bibel zu den Volksdichtungen stellen. Die dritten sehen in ihr — namentlich im Neuen Testament — die große Erziehungs­lehre und achten sie um dieser Erkenntnis willen. Sie haben alle recht und unrecht. Es ist darin das jüdische Volksbuch enthalten, es ist eine große  Volksdichtung und eine große Erziehungslehre, und es ist doch noch viel, viel mehr.

 226.  Was ist Gottes Wort in der Bibel? Ein Dutzend kritischer Studenten saßen um den berühmten Theologieprofessor A. Schlatter.

 

„Herr Professor, Sie sprachen vorhin vom Galaterbrief als vom Wort Gottes, das kann nicht stimmen —" „Was soll da nicht stimmen?" "Nun, der Galaterbrief ist auf keinen Fall ein „Wort Gottes“ Das ist Menschenwort, das Wort des Menschen Paulus. Nicht wahr? Das ist meine Ansicht!" Wir saßen gespannt. Wie wird der wortscharfe Gelehrte die jugendliche Herausforderung aufnehmen? Der alte Herr strich bedächtig die Asche seiner Zigarre ab. Dann klang seine Gegenfrage: „Was ist denn Gottes Wort — nach Ihrer Ansicht? Oder gibt es überhaupt kein Gotteswort — nach Ihrer Ansicht?" Der Student fühlte wohl den Stich. Eine Röte überflammte sein Gesicht. Doch gab er ohne Erregung — ganz beherrscht und sachlich - Bescheid. „Gottes Wort? Nun, was von Gott selbst gesagt ist. Oder die Worte Jesu zum Beispiel —." „Gut", nickte der Professor lebhaft, „ich stelle fest: die Worte Jesu sind für Sie Gottes Wort stimmt das?" „Jawohl, ganz recht." Zögernd nickte der Gefragte. „Und worin unterscheiden sie Gottes Wort vom Menschenwort? Doch wohl darin, daß Sie bereit sind, einem Gotteswort sich zu beugen im Gehorsam, während Sie einem Menschenworte gegenüber Ihre freie Stellungnahme Vorbehalten?" Jawohl Herr Professor, durchaus so!"

Unerwartet streckte der Gelehrte dem jungen Menschen die Hand hin. "Dann ist
alles gut. Lassen Sie mal ruhig — vorläufig — alle Menschenworte der Bibel,
z.B. alle Paulusworte weg. Beschränken Sie sich auf die Worte Jesu allein.
Aber — und darauf kommt alles an: Nun machen wir die Probe aufs Exempel!
Nun l e b e n Sie mal nach den Worten Jesu, im Gehorsam. Das genügt vollkommen.
Die Stunde wird kommen, wo Ihnen auch die 'Menschenworte' in der Bibel wieder
'Gotteswort' werden. Mir ist es einst ähnlich gegangen. Aber wenn wir nur den
Gehorsam wagen, dann wird alles gut. Der Herr hat gesprochen: Es werden nicht
alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Reich kommen, sondern die den Willen

tun meines! Vaters im Himmel. Darauf kommt alles! an." Vgl. Nr. 1773.

                                                                                                           Karl Otto Horch.

 227. Was Nietzsche vom Alten Testament sagt: Im jüdischen Alten Testament, dem Buche von der göttlichen Gerechtigkeit, gibt es Menschen, Dinge und Reden in einem
so großen Stile daß das griechische und indische Schrifttum ihm nichts zur Seite
zu stellen hat... Der Geschmack am Alten Testament ist ein Prüfstein in Hinsicht auf"Groß" und „Klein".

 5. Erlebnisse mit der Bibel

 

228.     Luther: Gottes W o r t ist ein mächtiger Kaiser und ein unbesiegbarer König
gegen alles.      (Predigt am s. n. Tr., 22.Juli 1526. W. 20, 461.)

 

Wo Gottes Wort nicht leuchtet, da kann nichts anders denn Finsternis und irrige
Wege sein.       Buchinschrift über Psalm 119, 105. W. 48, 79.)

 229.     Das Trostbuch. Ehe ich noch selber in meiner eigenen Schulbibel lesen konnte,
wußte ich etwas von Der göttlichen Kraft, die aus dem Bibelbuche strömen mußte. Alls
ich einmal von meinen Spielen in die Stube heraufkam, erschrak ich zu Tode. Meine
Mutter kniete am Bettrand und schluchzte erbarmungsvoll auf. Ich fiel ihr in die
Arme und hörte nur, daß der Vater sein Brot verloren hatte, daß wir hungern
müßten und nun alles aus sei. Mit einem Male löste Sich aber die Mutter von mir,
griff nach der Bibel und blätterte darin in ungewöhnlicher Hast... Dann wurde
sie ruhiger. Sie beugte sich über ein Blatt und verfolgte mit dem Finger die Zeilen,
und plötzlich höre ich in die Stille hinein ihre festen Worte: „Dennoch bleibe ich
stets an dir..." Es waren die Worte aus dem 73. Psalm, die ich seit dieser Stunde
nie mehr verloren habe. — Und nun sah mich die Mutter wieder, hob mich aus und
redete mir so viel Trost ein, daß ich mich nicht genug verwundern konnte, daß die
verweinte Mutter mit einem Male wieder so fröhlich sein konnte. Und schon wenige
Tage darauf hatte der Vater wieder eine Anstellung erhalten, und alles war wie sonst.

                                      H. Ch. Kärgel in „Evang. Deutschland" vom 13.1.1935.

 

230.     Der treue Begleiter. Meine Bibel ist weit gereist. Sie war mit mir an der
Invasionsfront, auf Sizilien, im Norden und kam auch fast bis zur Wolga. Es ist ein
arg unscheinbares, zerlesenes und fleckiges Büchlein und ging durch Hunderte von
Händen. Menschen am Rand des Hungertodes und der Verzweiflung lasen daraus,
die Mäuse haben sie angefressen, als sie unter meinem fast leeren Kriegsgefangenen-
rucksack lag. Russische Posten hätten die dünnen Blätter gar zu gerne zum Zigarettendrehen gehabt. Andere haben bei der Gepäckrevision mit dem Seitengewehr alles durchwühlt; die Bibel blieb heil. Sie blieb mein treuer Begleiter auch da, wo man
mir bis auf Hemd und Unterhose alles nahm. Ja, sie war mir mehr als nur ein
Begleiter, sie war mir Brot des Lebens, von dem man wirklich und wahrhaftig zehren
kann. Heute jedenfalls könnte ich mir mein Leben ohne dieses Buch nicht mehr denken.

                                             Helmut Claß in Stuttg. Gemeindeblatt 13/1950.

 

231.     Die Bibel in Stalingrad. Als der Kampf um Stalingrad zu Ende ging, traf
beim deutschen Oberkommando der Funkspruch aus Stalingrad ein:  „Schickt uns
Pfarrer und Bibeln." Man greift sich dort an den Kopf. In diese Hölle noch
Leute hineinwerfen? Aber die dringende Bitte liegt vor. Nach wenigen Stunden
steigt ein Flugzeug auf mit einem Arzt und zehn Pfarrern, Richtung Stalingrad.
Mit Fallschirmen springen sie ab. Schon scharen sich die Männer von Stalingrad
um die zu ihnen freiwillig Gekommenen. Die letzten Vorräte an Brot und Wasser
werden herausgegeben, aber auch die mitgebrachten Bibeln, und in den letzten Bun-
kern finden ergreifende Abendmahlsfeiern statt. Doch die Bibeln reichen nicht für die
Zehntausende, die danach verlangen. Da reißt ein Divisionspfarrer seine Bibel aus-
einander. Blatt für Blatt drückt er in die entgegengestreckte Hände, und als sie noch
nicht reichen wollten, werden die Blätter halbiert. Ein jeder bekommt ein halbes Blatt.

                                                                       Nach dem amtlichen Bericht.

 232.     Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Dreißigtausend Insassen zählt das große
Offizierslager. Die Verpflegung besteht aus 3/4 Liter Wasser mit einer Handvoll
Körner. Täglich sterben Hunderte an Hunger und Erschöpfung. Eine tiefe Resignation
herrscht unter den Gefangenen. Ganz apathisch, dumpf vor sich hinbrütend, hocken
sie auf dem Boden und warten auf ihre letzte Stunde. Da kommen sie auf den
Gedanken, draußen im Wald sich Kräuter zu suchen. Der Kommandant erlaubt es.
Bei einem dieser Gänge stoßen sie eines Tages auf ein verlassenes Gehöft und
entdecken darin eine alte deutsche Familienbibel. Aus der Chronik sehen sie, daß hier
deutsche Siedler wohnten. Es entsteht der lebhafte Wunsch, die Bibel mit in das
Lager zu nehmen. Es ist aber streng verboten, schriftliche Sachen mit ins Lager
zu bringen. Vom Los dazu bestimmt, verbirgt ein Missionar das Buch in seinem
Sack, der voll gestampft mit Brennesseln war. Er betet innerlich um gutes Gelingen
des Planes. Am Eingang des Lagers ist Säckekontrolle. Ein kontrollierender Mon-
gole stellt den Sack auf den Kopf, aber der Stampf viel nicht heraus. Da sticht er
mit dem Degen ein paarmal durch den Sack und jedesmal an der Bibel vorbei. So
kam sie ins Lager zu den Dreißigtausend Gefangenen in Rußland. Viele drängen
sich um den kostbaren Besitz. Vorsichtshalber wird die Bibel in 50 Teile zerlegt und an
50 Vertrauensmänner verteilt. Dem Kommandanten erklärten sie, daß das Lesen
dieser Schriften die Gefangenen zum Frieden stimme. Der Kommandant versteht das
auf seine Weise und sagt: „Gutt, gutt, antifaschistisch Buch!"

Jetzt können sie ungestört täglich zur Wortbetrachtung zusammenkommen. Viele
wachen aus ihrer dumpfen Verzweiflung auf und fassen Mut. Die lebensmüde
Niedergeschlagenheit weicht einer frohgemuten Stimmung. Die sich selbst schon lange
aufgegeben haben, bekommen wieder Lebenswillen. Diese seelische Umstimmung wirkt
sich auf die körperliche Verfassung aus. Die Sterbensziffer geht rapide zurück, obwohl
die Verpflegung vom Lager aus die gleiche geblieben ist. Ein ganz neuer Geist weht
im Lager. Eine große Männergemeinde hat den toten Punkt, den Todeszustand über-
wunden. Das große Wunder geschieht. Aus dem Todeslager wird für viele ein Erholungslager, obwohl die äußeren Verhältnisse dieselben geblieben sind. Eine Bibel hat diese Wandlung zum Leben vollbracht.                                                             "Der Höhenflug" von K. E. Koch S. 51

 233.  Sie ist mir viel gewesen.  Eine Sendung gespendeter Bibeln war zu den deutschen Männern im Kriegsgefangenenlager in Frankreich gekommen. Da kommt einer zum Lagerpfarrer und bittet um eine. Er sei zwar längst aus der Kirche ausgetreten und habe sich jahrelang als „gottgläubig" in die Listen eingetragen. Aber das könne so nicht weitergehen. Wie ein Tier lebe man. Er wisse ja gar nicht, wer der Gott sei, an den er glauben wolle. Er habe viel in einsamen Stunden auf seinem Kommando über diese Dinge nachgedacht und nun möchte er einfach einmal gründlich in der Bibel lesen. Es sei ja obendrein eine Schande, daß man ihr den Rücken gekehrt habe, ohne sich mit ihr richtig beschäftigt zu haben. So gehe es nun aus keinen Fall mehr weiter. Immer gesprächiger wurde er. Mit zunehmender Vertraulichkeit erzählte er mir Erlebnisse mit Verwandten und Bekannten von zu Hause, von Weib und Kind. „Ach, es sollte eben so vieles anders werden — ganz, anders. — Daß man sich auch so zerblättern ließ vom Leben und auf falsche Stimmung hörte...!"

Nun durfte ich ihm die Bibel aufschlagen, in die ich soeben eine Widmung geschrieben hatte mit seinem Namen. „Schau Kamerad! Die Bibel und dein Name gehören eigentlich zusammen. Unser Leben wird von Stimmen bestimmt. Laß die Bibel die führende Stimme deines Lebens werden, dann kann alles noch einmal ganz, ganz anders werden!" Drei Monate später kam ein Gruß von dem an Unterleibskolik schwer erkrankten Kameraden. Ich besuchte ihn. Er ist schwach, aber auf seine Bibel zeigend sagt er: „Die ist mir viel gewesen!" Als er bald danach stirbt, war sein letzter Wille gewesen: „Leg mir die Bibel in den Sarg zu meinem Haupte."

         Nach Fritz Hubmer  „Die Totenbibel in Frankreichs Erde" Württ. Ev. Gemeindeblatt 4/1948.

 

234.  Brot des Lebens. — Auf der Flucht vor den Russen. „Die Sturmflut kommt näher und näher... Wir fühlen, es ist ein Aufbruch für immer... Wenn man in körperlicher Bewegung ist, so bekommt man Hunger... Je größer dieser Kraftverbrauch des arbeitenden bewegten Geistes wird, desto heißhungriger leben wir von dem, was in der Bibel steht. So wie man jeden Tag die Zeit findet, etwas zu essen, so finden wir immer Zeit in all dem Wirrwarr in der Bibel zu lesen, ja, geradezu davon zu essen. Es zeigt sich, was man in ruhigen Zeiten in dem Maße nicht wußte: wie richtig der Name „Brot des Lebens" ist. Es ist sonnenklar: das äußere und innere Brot gehören zu den einfachsten und dringendsten täglichen Bedürfnissen. Wir können nur sehr wenig mitnehmen; nicht mehr als man im Notfall tragen kann, und doch hielten wir es für notwendig, jedem Kind einzeln eine Bibel in den Rucksack zu tun. Brot und Bibel — die unentbehrlichen Voraussetzungen des menschlichen Gleichgewichtes.

                                                                     Aus „Die Feuersäule" v. Renate Hagen S. 27.

 235.  Meine Bibel.  „Ich habe heute eine Bibel geschenkt bekommen! Eine Bibel! Ich trug sie durch die strahlende Wintersonne heim wie einen Schatz. Ich drückte sie immer wieder an mein Herz. So glücklich war ich! Als Stiftung der Brenzgemeinde  in Stuttgart ist sie mir zu eigen gegeben worden. Auf der einsamen Gartenstraße, die ich durchschritt, blieb ich stehen; ich konnte nicht anders: ich mußte das heilige Buch, das jetzt mein war, aufschlagen. Ich mußte in ihm die herrlichen tröstenden Worte des 23. Psalms aufschlagen' M e i n e n 23. Psalm, der mich durch mein ganzes Leben als „Stecken und Stab" begleitet hat und den ich mit meinen beiden Töchtern in unserm schönen Heim und Familienkreise so oft in wundervoller Komposition und dreistimmig gesungen habe. Nun nahm ich heute aus m e i n e r Bibel diese wunderbare Wahrheit von neuem in mein Herz auf, obgleich sie darin schon eingegraben wurde. Es war ein restlos glücklicher, beseligender Augenblick, in dem mein Gott mir fühlbar und ganz und gar nahe war. Dazu ließ Gott seine goldene Sonne warm auf mich strahlen. Alles Leid fiel vom mir ab. Gestärkt, getröstet, voll Mut und Dank trat ich meinen Heimweg an." (Aus dem Brief einer Ostpreußin, die als Direktorsfrau in sehr guten Verhältnissen und sehr glücklich gelebt hatte und 1942 den Mann und die älteste Tochter, beim Totalbrand der Stadt Königsberg viele liebe Verwandte und 1945 Hab und Gut verlor.)                                                                 Aus Württ. Ev. Gemeindeblatt Nr. 32/1947

 236. Revolver oder Neues Testament?  Ein Theologe erzählt im "Münchener Ev. Gemeindeblatt" : Als ich zum ersten akademischen Examen arbeitete; wurde ich einst in die Universitätsklinik gerufen; wo ein früherer Freund schwer krank daniederlag. Er hatte ein ungefährliches kleines Ohrenübel gehabt und einen Freund gebeten, ihm das Ohr mit einer heilsamen Lösung auszuspritzen. Durch ein verhängnisvolles Versehen führte der Freund die Ausspritzung mit einer falschen Flüssigkeit aus. Es war Sublimat. Eine furchtbare Vereiterung der Schädelhöhle war die Folge. Der arme Mensch mußte schreckliche Schmerzen erdulden. Als ich an Sein Bett trat, freute er sich sichtlich, seinen alten Schulfreund wiederzusehen. Mühsam schilderte er mir, was geschehen war. Dann sagte er zu mir "Zieh mal die Schublade des Nachttisches auf!" Als ich es tat, sah ich in dem Kasten nebeneinander einen Revolver und ein Neues Testament liegen. Mit bebender, leiser Stimme flüsterte er: "Sieh, lieber Freund, eins von den beiden mußte siegen. Es gab für mich in meiner furchtbaren Not nur ein Entweder-Oder. Ich danke Gott, daß das kleine Buch stärker war."

 237. Abgeschnitten von der Quelle des Lebens. E. Schnepel erzählt aus dem Kriege: ".Die interessanten Erlebnisse des Bewegungsfeldzuges (in Serbien 1915) nahmen mich so völlig gefangen, daß nichts anderes mehr in meiner Seele Platz behielt." Als seine Kompanie nach Wochen abgelöst wurde, zog er zum erstenmal seine Bibel wieder hervor. "Ich las - aber sie war stumm. Ich las wieder - aber sie redete nicht mehr. Selten in meinem Leben ist ein so jähes Entsetzen über mich gekommen wie in diesem Augenblick, dort oben im serbischen Hochgebirge. Ich wußte sofort, wie ernst die Lage war. Mir bangte vor einem anderen Tode, der ernster ist als der, der am Tage zuvor angeklopft hatte. Es war mir völlig klar, daß mein ganzes Leben mit Jesus auf dem Spiel stand. Ich war abgeschnitten von der Quelle des Lebens; Christus redete nicht mehr zu mir durch sein Wort. Ohne ihn ist die Bibel tot. Der Ernst der Lage wurde dadurch gesteigert, daß ich ja das Verlorene in keiner Weise mir selbst wieder verschaffen konnte." - Sch.  kam bald darauf ins Lazarett, wo ihm ein kleines Büchlein von Forstmeister von Rothkirch in die Hand fiel. Darin heißt es, daß es höchst merkwürdig sei, wenn ein junger Mann den Brief seiner Braut Wochenlang ungelesen mit sich herumtrage; da müsse irgend etwas nicht stimmen. Gerade so sei es bei einem Jünger Jesu, der wochenlang den Brief seines Heilandes, das Neue Testament, ungelesen lassen könne. Da wußte ich alles ... Ist das Verhältnis zu Jesus kühl geworden, erkaltet auch das Verhältnis zur Bibel. Das war eine sichere unvergeßliche Lehre.           

                                                                                       Aus: „Begegnung mit der Bibel.“

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